Immer in Bewegung: Sport für herzkranke Kinder

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Häufig werden sportliche Aktivitäten von Kindern oder Teenagern mit angeborenen Herzfehlern von Eltern, Lehrern und manchmal sogar Medizinern unnötigerweise beschränkt. Dabei können diese maßgeblich zur allgemeinen Fitness, dem eigenen Wohlbefinden und zur Steigerung der Lebensqualität dieser Kinder beitragen. Mangelnde Bewegung führt dagegen häufig zu motorischen Defiziten und kann zudem dafür verantwortlich sein, dass sich ein Kind von Gleichaltrigen isoliert fühlt. Die Anzahl der herzkranken Kinder, denen Sport verboten wird, variiert von Land zu Land. In Deutschland ist es in jedem Fall ein erklärtes Ziel, so wenig Beschränkungen aufzuerlegen wie möglich. Die dadurch bereits gewonnenen Erkenntnisse legen nahe: Ob ein herzkrankes Kind fit genug für sportlichen Aktivitäten ist, hängt weniger von die Schwere des Herzfehlers ab, sondern vor allem von den Ergebnissen der postoperativen Untersuchung.

Brauchen Kinder mit Herzfehlern Sport?

Sport spielt eine wichtige gesellschaftliche Rolle und trägt allgemein zu einer verbesserten Lebensqualität der meisten Menschen bei. Das gilt ganz besonders für Kinder: Bewegung ist für kleine Kinder unabdingbar, da sie nicht nur ihre motorische, sondern auch ihre kognitive und sozio-emotionale Entwicklung fördert. Der Begriff der „psychomotorischen Entwicklung“ beschreibt hier die enge Verknüpfung der verschiedenen Entwicklungsbereiche. Gerade bei Jungen basiert das Selbstvertrauen häufig darauf, gut im Sport zu sein. Kinder mit angeborenen Herzfehlern sollten deshalb bei jeder Gelegenheit ermutigt werden, Sport zu treiben. Das gilt sowohl für die persönliche Freizeit als auch ganz besonders für den Sportunterricht in der Schule.

Jüngste Studien unterstützen diesen Ansatz: in einer landesweiten Untersuchung aus Norwegen tendierte das Risiko von herzkranken Kindern, beim Sport einen plötzlichen Herztod zu erleiden, gegen Null (1).

Während in Deutschland die Situation diesbezüglich hervorragend ist, scheint es im restlichen Europa ein Süd-Nord-Gefälle zu geben: Während es Patienten mit angeborenen Herzfehlern in südeuropäischen Ländern teilweise sogar untersagt ist, sich überhaupt zu bewegen, dürfen sie in den meisten nordeuropäischen Ländern nahezu jede Art von Sport ausüben.

Welche Sportart passt zu einem Herzfehler?

Für die Einschätzung des kardiologischen Zustands einer Person stellt sich immer deutlicher heraus, dass die postoperativen Ergebnisse wichtiger sind als die Diagnose selbst. Die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation (DGPR) hat deshalb zusammen mit weiteren Expertenkomitees ein spezielles Einstufungssystem entwickelt. Die Entscheidung, ob ein Patient Sport treiben darf, sollte demnach nicht auf der Grundlage des Herzfehlers selbst, sondern vielmehr auf der Grundlage von Restbefunden nach einem Eingriff getroffen werden.

Da sich Kinder mit angeborenem Herzfehler hinsichtlich ihrer Diagnose und Restbefunde unterscheiden, ist es unmöglich, bestimmte Sportarten allgemein zu empfehlen. Insofern sollte jedes Kind individuell beraten werden bezüglich der Frage, welche Sportarten es ausüben darf und welche eher ungeeignet sein dürften (z. B. dynamisch oder statisch, langzeitig oder kurzzeitig). Hauptaugenmerk sollte dabei auf den auszuführenden Übungen und Bewegungsabläufen liegen.

Warum dürfen nicht alle herzkranken Kinder sportlich aktiv sein?

Nicht alle Kinder und Jugendlichen mit angeborenen Herzfehlern dürfen uneingeschränkt an sportlichen Aktivitäten teilnehmen. Das kann mehrere Gründe haben.

  • Der Herzfehler ist so schwer, dass Sport verboten werden muss, da eine körperliche Betätigung lebensbedrohlich sein könnte.
  • Der Herzfehler lässt nur eine eingeschränkte sportliche Aktivität zu, beispielsweise in Bezug auf bestimmte Übungen oder das Verbot von Leistungssport (siehe Tabelle 3). So schließt z. B. die Einnahme von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung eine Teilnahme an Kontaktsportarten wie Rugby aus. Ebenso lässt sich das Tragen eines Schrittmachers nicht mit extremem Dehnen vereinbaren, wie es z. B. bei Übungen am Trapez vorkommt.
  • Der Herzfehler ist gar nicht so schwer, aber Eltern, Kindergartenbetreuer und Lehrer sind zu ängstlich, um dem Kind zu erlauben, sich so viel zu bewegen, wie es gerne möchte. Dies führt zu einem Teufelskreis aus Beschränkungen und Nachlassen der sportlichen Fähigkeit.

Der Teufelskreis eingeschränkter körperlicher Aktivität

Aufgrund ihrer Ängste oder mangels Informationen tendieren Eltern, Erzieher und Lehrer oft dazu, Kinder mit angeborenen Herzfehlern übermäßig zu beschützen. Das kann dazu führen, dass Kinder an keinerlei sportlicher Aktivität mehr teilnehmen dürfen und so in die soziale Isolation getrieben werden. Schnell entsteht ein Teufelskreis, der mit verminderter Bewegungsfähigkeit, motorischen Defiziten und Problemen bei der psycho-sozialen Anpassung einhergeht, z. B. einem geringen Selbstwertgefühl und zunehmender sozialer Isolation. Eine derartige Einschränkung kann wiederum eine Verschlechterung der Motorik nach sich ziehen. So wird es auf Dauer immer schwerer, den Kreis zu durchbrechen.

Vicious circle
Abbildung 1: Der Teufelskreis eingeschränkter körperlicher Aktivität

Ob Kinder und Jugendliche mit angeborenen Herzfehlern Sport treiben dürfen, ist eine persönliche Entscheidung. Diese hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab:

  • dem Befund nach der Herzoperation
  • von der Art der körperlichen Anstrengung

Wenn – wie in den meisten Fällen – aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht, sollte man immer nach dem Motto verfahren, so viel Sport wie möglich zu erlauben bzw. den Sport nicht mehr als nötig zu beschränken.

Maßgeschneiderte Sportgruppen

In Deutschland gibt es derzeit (Stand Oktober 2015) soweit bekannt zwölf Kinderherzsportgruppen, die Kindern und Jugendlichen mit Herzfehlern sichere außerschulische Sportmöglichkeiten anbieten. Geleitet werden diese von speziell ausgebildeten Trainern. Meist wird in einer Turnhalle trainiert, aber manchmal gibt es auch die Möglichkeit an zusätzlichen Aktivitäten teilzunehmen wie z. B. Schwimmen, Inlineskaten, Reiten, Segeln oder Klettern. Dabei ist immer ein Arzt mit Notfallausrüstung anwesend.

Besonders hilfreich sind solche Gruppen, wenn Kinder aufgrund erheblicher Restdefekte nur eingeschränkt am Sportunterricht in der Schule teilnehmen können. Weiterhin wirken sie sich auch positiv auf Kinder mit eher geringen postoperativen Restdefekten aus, bei denen ein übervorsichtiges Umfeld körperliche Aktivitäten bisher mehr als nötig eingeschränkt hat. Eine interdisziplinäre Studie der Universität Köln mit sechs Gruppen bestehend aus 76 Kindern und Jugendlichen konnte den Nutzen solcher Gruppen belegen, den Teilnehmer in motorischer und psycho-sozialer Hinsicht daraus ziehen (1)(2). Die Studie zeigt zudem auf, dass der Teufelskreis aus eingeschränkter körperlicher Aktivität und verminderter motorischer Koordination nicht nur durchbrochen, sondern sogar in einen gesunden Kreislauf umgewandelt werden kann.

Positive circle
Abbildung 3: Der positive Kreislauf körperlicher Aktivität

In der Studie wurde weiterhin festgestellt, dass Sportgruppen für verschiedene Altersgruppen eine unterschiedliche Funktion erfüllen:

  • Bei Vorschulkindern hatten sie eine vorbeugende Funktion, durch die das Auftreten bestimmter Defizite schon im Vorfeld vermieden werden konnte.
  • Bei Schulkindern hatten sie eher eine therapeutische Wirkung, da eine große Zahl der Teilnehmer bereits Entwicklungsstörungen aufwies, die sich insbesondere auf die motorische Koordination auswirkten.

Nach bisherigem Kenntnisstand gibt es in anderen europäischen Ländern kaum kontinuierliche regelmäßige Sportgruppen speziell für Kinder mit angeborenem Herzfehler. In Skandinavien und den Niederlanden wurden im Rahmen von Studien einige solcher Gruppen für einen begrenzten Zeitraum durchgeführt (3, 4, 5, 6).

Sportunterricht in der Schule

Oft wissen Sportlehrer nicht viel über angeborene Herzfehler. Manche von ihnen sind deshalb besorgt bis übermäßig beunruhigt, wenn ein Kind mit einem Herzproblem an ihrem Sportunterricht teilnehmen soll. Das kann dazu führen, dass die Kinder übermäßig geschont werden, wodurch sich der oben beschriebene Teufelskreis fortsetzt.

Um die Besorgnis bei der Anleitung solcher Kinder zu reduzieren, sollten Eltern und Ärzte umfassende Informationen über die Erkrankung des Kindes für die Lehrer bereitstellen. Lehrer sollten ihrerseits danach streben, herzkranke Kinder so weit wie möglich in den regulären Sportunterricht mit einzubeziehen, um eine normale psychomotorische Entwicklung zu ermöglichen.

Empfehlungen für Lehrer

Nahezu ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen hat körperliche oder psychische Beeinträchtigungen. Mit dieser Herausforderung muss jeder Lehrer ganz allgemein zurechtkommen, besonders während des Sportunterrichts. Bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern bedeutet das für Lehrer, die jeweilige Diagnose und das daraus resultierenden Leistungsvermögen zu kennen, um das Programm des Sportunterrichts den körperlichen Möglichkeiten anpassen zu können. Zu berücksichtigen sind dabei auch Risiken, die mit einer Langzeitbehandlung einhergehen, z. B. dem Tragen eines Schrittmachers oder der Einnahme von Medikamenten zur Hemmung der Blutgerinnung. Genaue Informationen zum jeweiligen Herzfehler – insbesondere zu Restdefekten – sind daher unverzichtbar.

Wer sich dieser Herausforderung stellt, kann meist ohne größeren Aufwand ein angemessen forderndes und förderndes Umfeld für Kinder mit Herzfehlern schaffen. Gerade im Sportunterricht reicht es vielfach schon, die körperlichen Anforderungen etwas zu senken. Dabei ist zu überlegen, in welchem Rahmen man Kinder mit angeborenem Herzfehler im Vergleich zu ihren gesunden Klassenkameraden benoten sollte. Mit der Unterstützung von Eltern und auch behandelnden Ärzten sollten hier bestehende Freiräume angemessen genutzt werden.

Um dabei keinen Neid aufkommen zu lassen, empfiehlt es sich, die gesamte Klasse in einen solchen Anpassungsprozess mit einzubeziehen und gemeinsam zu überlegen, wie beeinträchtigte Kinder am besten integriert werden können. Ein solches Vorgehen kann die soziale Kompetenz aller Kinder fördern. Man sollte die beeinträchtigten Kinder dabei als Bereicherung des schulischen Lebens begreifen und dadurch eine positive Grundeinstellung vermitteln. Das wiederum kann sich auf das Kind, seine Familie, Klassenkameraden sowie andere Lehrer in den unterschiedlichsten Situationen positiv auswirken.

Quellen

(1) Jortveit J., Eskedal L., Hirth A., Fomina T., Døhlen G., Hagemo P., Tell G.S., Birkeland S., Øyen N., Holmstrøm H (2015). Sudden unexpected death in children with congenital heart defects. European Heart Journal; September 04 [Epub ahead of print].

(2) Sticker, E.J. (2004). Sport macht stark – auch bei angeborenem Herzfehler. Ergebnisse einer interdisziplinären Follow-up Studie zur Entwicklungsoptimierung. Aachen: Shaker-Verlag.

(3) Bjarnason-Wehrens, B. & Dordel., S. (Hrsg.) (2001). Motorische Förderung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern. Sankt Augustin: Academia Verlag, S. 89-100.

(4) Fredriksen P.M., Kahrs N., Blaasvaer S., Sigurdsen E., Gundersen O., Roeksund O., Nor gaand G., Vik J.T., Soerbye O., Ingjer F., Thaulow E (2000). Effect of physical training in children and adloescents with congenital heart disease. Cardiology of the Young; 10: 107–14.

(5) Nordqvist, P. (2006). Water activities for children with CHD in Sweden. Poster presented at the AEPC-Working Group meeting on Psychosocial care for congenital heart disease held in Belfast between March 8–13, 2006.

(6) Dulfer K., Duppen N., Blom N.A., van Dijk A.P., Helbing W.A., Verhulst F.C., Utens E.M (2014). Effect of exercise training on sports enjoyment and leisure-time spending in adolescents with complex congenital heart disease: the moderating effect of health behavior and disease knowledge. Congenit Heart Dis;9(5):415-23.

Letzte Aktualisierung: 2015-11-13

Kommentare zu diesem Artikel

21.01.2009 | Debbie Ware, UK
I think this have been very informative, my son does not do well at sport although he has the ability and strength to so do, he has been encouraged to do all he can sport wise as his heart can cope, but with peer pressure and low self esteem he tends not to, also the school he went too never minded if he didn't do any sport, but the upper school are now helping him.
24.01.2009 | Clare Burgess, UK
My daughter is 27 months old and for the last 6 months has been attending a toddler gym class (Tumbletots). Although she is tired after the class which is about 30 minutes of active exercise, she completely enjoys it and her consultants are happy that she is exercising.
16.04.2009 | Sergio Generoso, Spain
Congratulations for the article. It shows very well how this situation is. Me and my wife are quite happy of our own experience about it. One of our daughters has a congenital heart disease and she’s been enjoying the benefits of doing sports. She has been learning how to swim, and still does, she also rides on her bike, and play games with her twin sister and her friends quite a lot, involving such exercise. All this contributes to make her the happiest girl in the world. I would like to thank the doctors and teachers for they support that, added to ours, as parents, make this world a better world for ALL, no matter if you have a congenital heart disease or not.
Best regards, Sergio.
01.03.2010 | Paloma Sánchez, España
Hola, tengo un hijo de quince años con una cardiopatía congénita al que siempre le ha gustado el deporte. El es portador de marcapasos y no podía realizar deportes como el fútbol de manera federada al ser un deporte de contacto. Sin embargo, ha encontrado en el tenis de mesa su deporte ideal. No es de contacto, no supone un ejercicio extenuante, le permite desarrollar capacidades como el autocontrol, la superación personal, la socialización, la seguridad en sí mismo, la intuición...y además no tiene problema para competir. En su caso, está suponiendo una gran ayuda para su desarrollo global como persona. Por eso animo a todos los padres a buscar junto con su hijo un deporte que pueda practicar. Es muy educativo y existen muchos deportes minoritarios adecuados para personas con cardiopatías y/u otras discapacidades.
08.01.2011 | Franz Hernandez, Mexico
agradesco la informacion redactada en este articulo muchas gracias por ponerla a disposicion del publico, tengo un hijo de 7 años lamentablemente nos han informado que tiene un soplo en el corazon grdo dos y devido a esto hemos estado buscando informacion que nos ayude a entender contra que nos vamos a enfrentar y su articulo es una gran herramienta de corazon muchas gracias por su informacion
06.05.2011 | Jonathan Toze, Australia
There is an article on my daughter which some visitors may wish to read about her involvement in sport. She is the one on the front cover. See the following link,
http://www.heartkidsqld.org.au/images/uploads/NewsletterSummer2010_2011_e.pdf
29.09.2011 | Theresa Theresa, I want to send you an award for most helpful internet weirtr.
I want to send you an award for most helpful internet weirtr.