Berufswahl mit einem Herzfehler

© Indianne Hansen

Wenn Kinder mit einem angeborenen Herzfehler erwachsen werden, machen sich Eltern über deren Berufswahl oft viele Gedanken. Wie alle Eltern wünschen sie sich für ihr Kind ein erfülltes Berufsleben. Genauso geht es den Jugendlichen. Sie wollen einen interessanten Beruf finden, der ihnen Spaß macht. Die gute Nachricht: Es gibt keinen Grund, sich übermäßig zu sorgen. Denn bis auf wenige Ausnahmen stehen herzkranken Jugendlichen die gleichen Chancen offen wie allen anderen. Dennoch muss einiges bedacht werden – zum Beispiel welche Faktoren bei der Entscheidung für einen Beruf eine Rolle spielen. Mit diesem Thema beschäftigen sich auch einige Studien, die für Sie interessant sein dürften.

Der richtige Beruf

„Was soll ich werden?“ – Vor dieser Frage stehen wir alle irgendwann einmal im Leben. Oft gibt es keine schnelle Antwort. Die meisten von uns denken am Ende der Pubertät das erste Mal über diese Frage nach, wenn die Weichen für Ausbildung und Karriere gestellt werden. Doch die Entscheidung ist alles andere als einfach – erst recht mit einem angeborenen Herzfehler.

Ein Arbeitsplatz oder eine berufliche Karriere bedeutet mehr Lebensqualität, finanzielle Sicherheit und einen höheren sozialen Status. Studien zeigen, dass junge Erwachsene mit angeborenem Herzfehler manchmal Probleme damit haben, langfristig zu denken. Viele wissen nicht, was sie von der Zukunft erwarten sollen – und ob sie überhaupt eine Zukunft haben. Kein Grund zur Sorge: Die meisten können sich auf ein langes Leben freuen. Sie können Wissenschaftler, Journalisten, Ärzte, Schweißer, Kraftfahrer, Mechaniker, Computertechniker, Elektriker – oder was auch immer sie wollen – werden. Jedoch sollten sie ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen und langfristig planen. Auch Aufstiegschancen gilt es zu berücksichtigen. Wichtig dabei: Es gibt keinen richtigen Weg. Diese Entscheidungen sind eine sehr persönliche Sache.

Berufsberatungen sind sinnvoll

Berufsberatungen tragen dazu bei, dass immer mehr Menschen ihre Karriere aktiv in Angriff nehmen. Eine gute Beratung zu Berufswegen und Ausbildungsmöglichkeiten ist deshalb äußerst wichtig. Nach einer britischen Studie von 2005 stehen diejenigen, die eine Berufsberatung aufgesucht haben, in weitaus größerem Maß im Berufsleben als diejenigen ohne Beratung (73 % gegenüber 46 %). Eine gute Berufsberatung ist wahrscheinlich der einfachste Weg, um auch mehr Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler eine Karriere zu ermöglichen. Die Beratung sollte in einem Zentrum für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler stattfinden oder an einem Ort, wo Experten für angeborene Herzfehler Beratungen durchführen können. Einzelgespräche mit einem Kardiologen und einem Berufsberater sind zu empfehlen. Die Berufsberatung sollte die Bedeutung einer Ausbildung betonen und zugleich die physischen Möglichkeiten des individuellen Patienten berücksichtigen. Diese Art von Beratung wird in Europa nur selten angeboten und ist in vielen anderen Ländern der Welt überhaupt nicht bekannt.

Einfache Anpassungen erleichtern das Berufsleben

Wie bei uns allen hängt die berufliche Leistungsfähigkeit auch bei einem angeborenen Herzfehler von mehreren Faktoren ab. Der Schweregrad eines Herzfehlers lässt nicht automatisch auf Probleme im Arbeitsleben schließen. Vielmehr geht es darum, das Passende zu finden und sich auf die individuellen Möglichkeiten zu konzentrieren. Laut einer niederländischen Studie haben rund die Hälfte der Befragten mit einem komplizierten Herzfehler gesundheitlich bedingte Probleme im Beruf. Anders sieht es bei einem leichten Herzfehler aus. Hier kennen nur 1 % der Befragten derartige Probleme. 50 % der ersteren Gruppe waren der Ansicht, dass ihr Herzfehler ihre beruflichen Möglichkeiten eingeschränkt. Rund 15 % konnten eine Arbeitsstelle nicht annehmen oder mussten ihre Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Zudem hatten viele ihre Stelle nach einer medizinischen Untersuchung verloren. Einige waren der Ansicht, dass ihr Herzfehler berufliche Aufstiegschancen verhindert hat. Die Hauptgründe für ein Ausscheiden aus dem Berufsleben waren, dass sie körperlich nicht für ihre Tätigkeit geeignet waren, an Burn-out litten oder mit emotionalen Problemen zu kämpfen hatten. Viele wünschten sich einfache Anpassungen in Hinblick auf ihren Herzfehler – wie z. B. flexible Arbeitszeiten, weniger Zeitdruck, Arbeiten von Zuhause aus oder andere Maßnahmen, die ihnen ein selbstbestimmteres Arbeiten erlauben würden. Viele Menschen mit gesundem Herzen wünschen sich wahrscheinlich die gleichen Dinge.

Gut informiert die richtigen Entscheidungen treffen

Leider wissen die wenigsten Jugendlichen etwas über ihren Herzfehler. Sie brauchen Informationen darüber, was sie für einen Herzfehler haben und welche Konsequenzen – wenn überhaupt – das für ihr Leben und nicht nur für ihre Berufswahl hat. Es geht weder darum, berufliche Anforderungen bei einem leichten Herzfehler zu übertreiben, noch die Probleme, die bei komplizierten Fällen auftreten können, zu unterschätzen.

Vielen widerstrebt es, ihren Arbeitgebern von ihrem angeborenen Herzfehler zu erzählen. Und warum sollten sie auch? Nicht immer spielt ein Herzfehler eine Rolle. Allein die Art der Fragestellung kann schnell diskriminierend sein. In einigen Ländern ist es Arbeitgebern untersagt, bei Bewerbungsgesprächen gesundheitliche Fragen zu stellen. Dennoch ist es wichtig, dass junge Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler – im Fall der Fälle – ihrem Arbeitgeber oder jemand anderes darüber informieren können. Wie viel erzählt wird, bleibt jedem allein überlassen.

Einigen britischen Wissenschaftlern zufolge kann das Wissen, ein Leben lang ärztliche Betreuung zu brauchen, den Schritt ins Berufsleben verhindern. Durch umfassende Informationen können derartige Bedenken hoffentlich aus der Welt geschafft werden.

Ausbildung

© Oscar H. Riberg

Warum die Ausbildung zählt

Ausbildung und Studium spielen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die einen Beruf ausüben wollen, eine wichtigere Rolle als für die Gesamtbevölkerung. Ob mit einem angeborenen Herzfehler ein Beruf ins Auge gefasst wird, hängt Studien zufolge vom Bildungsgrad ab. Das dürfte allerdings für uns alle unabhängig von unserer Gesundheit gelten. Nach einigen Studien ist der Bildungsstand bei einem schwereren Herzfehler geringer als bei Befragten mit leichten Herzfehlern. Das könnte daran liegen, dass sich der Herzfehler stärker auf den Alltag auswirkt. Allerdings waren die Befragten im Durchschnitt recht jung und viele wahrscheinlich noch nicht im schulfähigen Alter.

Überdurchschnittlich gut gebildet

Einige Länder führen Statistiken über den Zusammenhang  von angeborenen Herzfehler und Bildungsgrad. Allerdings liegen keine umfassenden Daten vor. Es gibt zum Beispiel Studien aus Deutschland, Schweden, Finnland und Großbritannien, nach denen der Bildungsgrad vergleichbar – und oftmals sogar höher – als beim Bevölkerungsdurchschnitt ist. Mehr zu einigen Statistiken finden Sie im Abschnitt Aktuelle Forschung. Interessanterweise haben mehrere Studien belegt, dass Menschen mit  angeborenen Aortenerkrankungen den höchsten Bildungsgrad besitzen. Weitere Herzfehler, die einen Zusammenhang mit hoher Bildung aufweisen, sind u. a. Pulmonalstenosen und Ventrikelseptumdefekte. Wenige Studien haben jedoch bisher einzelne Herzfehler untersucht. Rückschlüsse zwischen der Art des Herzfehlers und dem Bildungsgrad sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Herausfinden, was passt

Ob ein Jugendlicher seine Ausbildung beendet, hängt individuell von der Person ab. Genetische Veranlagungen, Syndrome, Folgen von Behandlungen und der Herzfehler selbst können die Ausbildungswahl einschränken. Das gilt insbesondere für alle mit sehr schweren Herzfehlern. Erwachsene mit einem angeborenen Herzfehler wollen in der Regel eine Anstellung finden, die ihrem Bildungsgrad entspricht. Diese Motivation gilt es trotz Herausforderungen zu wahren – z. B. wenn von einem Berufswunsch abgeraten wird, es Probleme mit der Versicherung gibt, Operationen anstehen oder eine weitere Vollzeitbeschäftigung nicht mehr möglich ist. Welche Art von Arbeit in Frage kommt, lässt sich auch mit systematischen Belastungstests für bestimmte Berufe, Schulungen und Reha-Programmen einkreisen. Mit dem Bericht „Management of Grown-up Congenital Heart Disease“ haben Kardiologen einen europäischen Standard erarbeitet. Darin finden sich auch Empfehlungen für Ärzte und andere medizinische Fachkräfte, um künftige Arbeitgeber entsprechend zu informieren.

Berufsleben

© Indianne Hansen

Erwerbstätigkeit

Der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung variiert von Land zu Land und ändert sich im Lauf der Zeit. In der Regel stehen 70 % bis 85 % der Bevölkerung in einem Beschäftigungsverhältnis. Wahrscheinlich hängt die Beschäftigungsquote aber auch mit der staatlichen Hilfe für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger in einzelnen Ländern zusammen. Bei einem guten Sozialhilfesystem gibt es wahrscheinlich mehr Menschen, die diese Leistungen ergänzend zu oder anstelle einer Beschäftigung in Anspruch nehmen.

Derzeit liegen nur aus wenigen Ländern vollständige Daten vor, wie viele Menschen mit angeborenem Herzfehler im Berufsleben stehen. Es gibt jedoch einige Ausnahmen: Nach Studien aus den Niederlanden, Deutschland, Großbritannien, Finnland und den USA wird geschätzt, dass 55 bis 77 % aller Erwachsenen mit mittelschweren oder schweren angeborenen Herzfehlern einer Arbeit nachgehen. Erwachsene mit komplizierten angeborenen Herzfehlern arbeiten meist in geringerem Umfang als diejenigen mit leichten Herzerkrankungen. Gleichzeitig hat die Behandlung schwerer Herzfehler einen enormen Fortschritt gemacht, so dass immer mehr Kinder mit komplizierten Herzfehlern heranwachsen, die als Erwachsene ins Berufsleben eintreten.

Arbeitslosigkeit

Die finanzielle Situation im Fall von Arbeitslosigkeit unterscheidet sich von Land zu Land. Doch selbst in den besten Sozialsystemen hat Arbeitslosigkeit noch weitere negative Folgen wie einen geringeren Selbstwert oder weniger soziale Kontakte. Wir wissen wenig über Arbeitslosigkeit von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern. Einige Studien haben gezeigt, dass die Situation für diese Gruppe ähnlich der der restlichen Bevölkerung ist – unabhängig von der Diagnose oder dem Gesundheitszustand. Nach einer englischen Studie von 2005 ist jedoch der Anteil der Arbeitslosen unter Menschen mit angeborenem Herzfehler überdurchschnittlich hoch. Dieses Ergebnis zeigt, dass es für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler schwierig sein kann, Arbeit zu finden oder eine Stelle längere Zeit zu behalten. Erwachsene, denen kündigt wurde, brauchten lange Zeit, um eine neue Anstellung zu finden. Viele davon waren über ein Jahr arbeitslos. Diese Zahlen könnten auf eine fehlende Berufsberatung zurückzuführen sein.

Teilzeit oder Vollzeit?

Es überrascht kaum, dass die wenigen vorliegenden Daten darauf hinweisen, dass Frauen mit angeborenem Herzfehler nicht so aktiv im Berufsleben stehen wie Männer. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den Zahlen für die Gesamtbevölkerung. Allerdings arbeiten erwachsene Männer und Frauen mit angeborenem Herzfehler öfter als Gesunde in Teilzeit.

In einem Beschäftigungsverhältnis zu stehen, bedeutet nicht unbedingt, jeden Tag von morgens bis abends zu arbeiten. Zum Beispiel definiert eine niederländische Studie Berufstätigkeit mit mehr als zwölf Stunden Arbeit pro Woche. Nicht jeder ist gesundheitlich dazu in der Lage, um in Vollzeit zu arbeiten. Zwischen Arbeit und Freizeit muss ein Gleichgewicht gefunden werden. Für beide Bereiche sollte das Gefühl herrschen, dass man sie unter Kontrolle hat. Arbeit lohnt sich immer, sowohl finanziell als auch aus sozialen Gründen. Erwerbsarbeit ist auch ein Statussymbol, das manchmal wichtiger ist als wir zugeben würden. Studien zeigen, dass Menschen mit Arbeit generell eine höhere Lebensqualität als andere haben.

Viele offene Fragen

Alle Studien, die die Arbeit und Ausbildung von Menschen mit angeborenem Herzfehler untersuchen, berücksichtigen keine ausgeprägten Lernbehinderungen oder geistige Behinderungen. Wie viele Menschen gehören dieser Gruppe an?

Wir müssen davon ausgehen, dass bei einem angeborenen Herzfehler die Entscheidung gegen einen Beruf wegen des Herzfehlers erfolgt. Was aber, wenn es weitere Faktoren gibt – und wenn ja, welche Faktoren wären das?

Wir wissen nicht genug darüber, wie das Arbeitsleben für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler aussieht. Welche Aufstiegschancen haben sie? Und wie sieht es zum Beispiel mit ihrer Rentensicherung aus?

Eine neue Generation von Kindern mit noch schwereren Herzfehlern wie einem hypoplastischem Linksherz-Syndrom werden bald erwachsen sein. Wie wird diese Gruppe den Schritt ins Berufsleben schaffen? Auf welche Probleme werden sie stoßen – und wie werden wir damit umgehen?

Es gibt viele offene Fragen über die Ausbildungsbedingungen und das Arbeitsleben von Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler. Das liegt zum einen daran, dass diese Bevölkerungsgruppe relativ jung und genauso vielschichtig wie jede andere Gruppe ist. Zum anderen fehlen aber auch Forschungsdaten. Wir dürfen gespannt sein, wie sich dieser Bereich entwickelt!

Autor(en): Marit Haugdahl
Geprüft von: Malin Berghammer
Letzte Aktualisierung: 2009-08-17

Kommentare zu diesem Artikel

24.03.2010 | Karla Chaves, Costa Rica
Es un articulo muy interesante y profundiza de una manera total la vida de una persona congenita, dentro de lo cual se manifiesta el valor como persona, y se destaca el vivir de la misma. Agradesco a la vida por dar personas con un valor tan distinguido para establecer a todas las personas por igual.
20.01.2011 | Heidi Kamen, NRW
Leider überhaupt keine individuelle Förderung. Keiner ist zuständig, immer muss man hintertüren benutzen um vielleicht an eine Praktikastelle zu kommen. Die läuft aus und man sitzt wieder zu hause. Die Motivation geht verloren. Ist man überflüssig. Wofür dann 2 schwere Herz OP's??? Ach ja persönliche Assistenz das Zauberwort - ein Wort- keiner kennt sich richtig aus- viele Lesestoff - aber keiner weiß wirklic bescheid. Alle denken man will nicht- aber was kann man wirklich- wo ist die Akzeptanz?? Wie gehts weiter?
20.09.2011 | c l, england
Hi
I am a 37 year old female with congenital heart disease, and although I agree with some of this article, I feel that is not the people with the heart defect with the problems but sometimes the employers ignorance and lack of knowledge that imparies employment many peope have said to me "heart disease, did you get that through smoking! ",,, no I was born with it, "Tetrology of Fallots".

Heart disease is often frowned upon and peolpe do not know that we are looked after better than the average person on the street, having health and heart checks regualry. If your cardiac nurses are good then ask the advice of the heart specialist before making career decision as it helps, they will say realistcally if you will be able to do it or not.. Above all keeping yourself fairly fit always helps and I dont mean run marathons, just eating sensibly and walking rather than driving.

Oh I am now at university hopefully to become an Operating department Practitioner.
04.03.2013 | Victor Varela, Colombia
En este mundo en donde las TICs nos permiten comunicarnos con toda la facilidad, que bueno que personas que estemos comprometidas con esta realidad, yo no lo llamo problema, lo llamo oportunidad nos unamos y aportemos un grano de arena para que nuestros familiares y/o personas allegadas vivan quiza más felices que nosotros mismos y no sean menospreciadas inclusive desde las mismas consultas médicas, personas con deficiencias fisiológicas de corazón pueden ser más que perfectas con un corazón de esperanza, de felicidad y desde luego lleno de amor, cuanto más podrán aportar estos seres que los que nos consideramos normales. Para los interesados mis correos son: varelaleon@hotmail.com, vivacapacitacion@gmail.com